mit dem Werken „Bestie“ und „Sunburn“.

// In Bestie von Joana June begegnen wir zwei jungen Frauen, die sich in einer modernen Welt voller Inszenierungen und Erwartungen neu erfinden wollen. June, die 1996 in München geboren wurde und „Theorien und Praktiken professionellen Schreibens“ in Köln studiert hat, kennt die Dynamiken von Performance und Selbstinszenierung sehr genau – nicht zuletzt, weil sie selbst ihre Arbeit und ihren Schreibprozess über Social Media mit vielen Followerinnen teilt. Das macht ihr Debüt so unmittelbar und zeitgenössisch. Die Geschichte um die Influencerin Anouk und die unscheinbare Delia, die unter dem Namen Lilly einen Neuanfang wagt, entwickelt sich schnell zu einem dichten Spiel aus Maskerade, Sehnsucht und echter Nähe. Beide Frauen nutzen einander, beide suchen in der jeweils anderen die Chance, das eigene Leben neu zu definieren, und zwischen Inszenierung, Freundschaft und Abhängigkeit verschwimmen die Grenzen. Für mich war das besonders eindringlich, weil June es schafft, die Ambivalenz des Digitalen literarisch zu übersetzen – die Schönheit der Selbstverwirklichung und die Einsamkeit hinter der Fassade.
Ganz anders, und doch tief verwandt, wirkt Sunburn von Chloe Michelle Howarth, einer jungen irischen Autorin, die in West Cork aufwuchs und ihr Debüt während des Lockdowns schrieb. Der Roman, der auf Shortlists wie den British Book Awards und den Nero Book Award stand, erzählt von Lucy in den frühen 1990er-Jahren, die in einer eng geprägten Dorfgemeinschaft lebt, in der die Erwartungen klar sind: heiraten, Kinder bekommen, ein angepasstes Leben führen.

Doch ein heißer Sommer bringt ihre erste große Liebe zu ihrer Freundin Susannah – und plötzlich wird alles, was bisher selbstverständlich schien, in Frage gestellt. Howarth schreibt poetisch, einfühlsam und von einer Intensität, die beinahe körperlich spürbar wird. Besonders berührt hat mich, wie sie das Gefühl einfängt, anders zu sein, sich verstecken zu müssen und doch der Liebe nicht entkommen zu wollen. Während June die Großstadt und das digitale Jetzt beschreibt, leuchtet Howarth die Enge der Provinz in den 90ern aus – beide aber beschäftigen sich mit der Frage, wie Frauen ihre eigene Stimme finden und welchen Preis Ehrlichkeit gegenüber sich selbst haben kann. Im Zusammenspiel wirken die beiden Bücher wie Spiegelungen einer ähnlichen Suche in unterschiedlichen Welten: Bei June geht es um die Inszenierung im Netz, bei Howarth um das Verbergen in einer konservativen Gesellschaft. Beide Autorinnen zeigen, dass Identität nie einfach gegeben ist, sondern immer im Werden begriffen – zwischen Angst, Mut und der Möglichkeit, sich durch andere zu erkennen. Mich haben beide Romane auf ganz verschiedene Arten bewegt: Bestie mit seinem scharfen, modernen Blick auf die Selbstinszenierung, Sunburn mit seiner stillen, fast schmerzhaften Schönheit einer ersten Liebe. Gemeinsam gelesen entfalten sie eine starke Resonanz über Generationen und Kontexte hinweg – und lassen einen zurück mit dem Gefühl, wie universell das Ringen um Authentizität und Zugehörigkeit ist.
UND WAS NUN?