mit der neuen Vinyl-LP von Saint Etienne.

// Saint Etienne verabschieden sich mit International nach 35 Jahren Bandgeschichte – und schon wenn man das Gatefold-Cover in den Händen hält, spürt man, dass diese Platte mehr ist als nur das nächste Studioalbum. Das Artwork wirkt wie ein liebevoll gestaltetes Erinnerungsstück, eine Art musikalisches Fotoalbum der eigenen Karriere. Auf der Rückseite stehen persönliche Worte von Jonathan Meades, die nicht nur die Bedeutung der Band einfangen, sondern auch dieses feine Gefühl von Abschied transportieren. Schon bevor die Nadel die Rille berührt, liegt eine leise Wehmut in der Luft. Als ich die Platte zum ersten Mal auflegte, war sofort wieder dieses typische Saint-Etienne-Gefühl da: eine Mischung aus leichtfüßigem Pop, clubbigen Beats und dieser ganz eigenen britischen Melancholie. Sarah Cracknells Stimme schwebt über den Arrangements, klar und unaufgeregt, wie ein vertrauter Freund, den man nach langer Zeit wiedertrifft. Was mich berührt, ist, dass die Songs einerseits nostalgisch klingen – wie ein liebevoller Rückblick auf die frühen Neunziger, als Saint Etienne ihre ersten großen Momente feierten – und gleichzeitig eine ungebrochene Neugier ausstrahlen.
Es ist kein Blick zurück im Zorn, sondern ein leises, aber kraftvolles „Wir sind immer noch da“. Man merkt dem Album an, dass es ein Gemeinschaftswerk ist. Vince Clarke bringt seinen unverwechselbaren Synth-Pop-Glanz ein, Erol Alkan liefert subtile elektronische Texturen, Paul Hartnoll von Orbital steuert diese hypnotische Weite bei, die so typisch für die britische Elektronikszene ist. Trotz dieser unterschiedlichen Handschriften klingt International nicht nach einem Flickenteppich, sondern nach einem wohlüberlegten letzten Kapitel. Es ist, als ob Sarah Cracknell, Bob Stanley und Pete Wiggs noch einmal alle Farben ihrer Karriere auf einer Leinwand mischen, bevor sie den Pinsel aus der Hand legen. Ein besonderer Moment ist für mich der Abschlusstrack Last Time. Schon beim ersten Hören hatte ich das Gefühl, die Band würde mir persönlich zum letzten Mal zuwinken: wehmütig, aber ohne Pathos, voller Wärme und einer fast zärtlichen Zuversicht. Es ist dieses Gefühl, das man hat, wenn man sich nach einem langen Abend von guten Freunden verabschiedet – man weiß, dass etwas zu Ende geht, und gleichzeitig bleibt die Gewissheit, dass die Erinnerungen bleiben. Für mich ist International damit mehr als ein finales Studioalbum. Es ist eine Dankesbotschaft an die Fans und eine Selbstvergewisserung der Band, dass sie all die Jahre hindurch immer genau die Musik gemacht haben, die sie machen wollten. Die Gatefold-Ausgabe auf Vinyl macht dieses Erlebnis noch greifbarer: Während die Platte leise knistert und die ersten Töne erklingen, lese ich die Zeilen von Jonathan Meades und spüre, wie diese 35 Jahre Bandgeschichte plötzlich ganz nah sind. Ein würdiger, sehr persönlicher Abschied, der noch lange nachhallt – und der Saint Etienne genau so in Erinnerung hält, wie ich sie immer geliebt habe.
UND WAS NUN?