mit dem Manga „Ibitsu“ (Band 2).

// Mit Haruto Ryo’s Ibitsu geht einer der unheimlichsten und zugleich faszinierendsten Horror-Manga der letzten Jahre in seine zweite Runde – und zeigt, dass das Grauen nicht immer in blutigen Effekten liegt, sondern oft in der Obsession, in der psychischen Zerrüttung und in der unheimlichen Nähe zwischen Opfer und Täter. Schon der erste Band hat mit seiner urbanen Legende über ein düsteres Mädchen, das Passanten um Mitternacht eine verhängnisvolle Frage stellt, Gänsehaut ausgelöst. In Band 2 weitet Ryo dieses beklemmende Szenario zu einer Geschichte über Besessenheit, Schuld und verdrängte Traumata aus. Die namenlose Gothic-Dame, die zugleich unheimlich, verletzlich und monströs wirkt, verengt ihren Blick nun vollständig auf Kazuki – den Mann, den sie für ihr Schicksal hält. Was anfangs wie eine bizarre Schwärmerei erscheint, wird bald zum tödlichen Albtraum: Eifersucht, Gewalt und Wahn verschmelzen zu einem psychologischen Abgrund. Ryo spielt erneut meisterhaft mit Kontrasten: zarte, fast ästhetische Zeichnungen treffen auf extreme, verstörende Motive.
Die dichte, düstere Atmosphäre, unterstützt durch das präzise Schattenspiel und die enge Panelstruktur, zieht die Lesenden tief in eine Welt, in der Rationalität keinen Halt mehr findet. Besonders eindrucksvoll ist die Episode in der verlassenen Psychiatrie – ein Ort, der wie ein Symbol für die verdrängte Vergangenheit der Protagonistin wirkt. Dort erfährt Kazuki, was aus einem einst gebrochenen Mädchen ein Monster machte. Diese Enthüllung ist nicht bloß Schockmoment, sondern zugleich ein Akt der Tragik – Ryo lässt seine Figuren nie zu bloßen Horrorfiguren verkommen, sondern zeigt sie als Opfer einer Welt, die selbst wahnsinnig geworden ist. Was Ibitsu von vielen anderen Horror-Manga unterscheidet, ist genau dieser doppelte Blick: Das Grauen kommt nicht nur von außen, sondern wächst aus inneren Verletzungen. Die Protagonistin ist kein bloßes Gespenst, sondern eine verzweifelte Seele, gefangen zwischen Zärtlichkeit und Zerstörung. Die Kombination aus psychologischem Tiefgang und stilisierter Brutalität macht das Werk so intensiv – es ist Horror mit Bedeutung, verstörend und doch menschlich. Ibitsu ist nichts für schwache Nerven, aber ein Muss für alle, die japanischen Horror in seiner besten Form lieben – atmosphärisch, unberechenbar, emotional und tief verstörend. Haruto Ryo gelingt es, Angst als Spiegel seelischer Abgründe zu zeigen. Ein Manga, der einen nicht einfach erschreckt, sondern lange verfolgt – so, wie die unheimliche Gestalt im Dunkeln, die vielleicht gar nicht verschwunden ist.
UND WAS NUN?