mit den Werk „Die Wahrheit über Kid P.“.

// Es gibt Bücher, die erzählen Geschichte. Und dann gibt es Bücher, die klingen, als würden sie selbst Geschichte machen wollen – laut, schräg, unangepasst. Die Wahrheit über Kid P. ist so ein Buch. Keine trockene Rekonstruktion, keine nüchterne Würdigung – sondern ein vibrierendes Archiv aus Haltung, Sound und Subkultur, das nicht nur zurückblickt, sondern mit voller Wucht noch einmal loslegt. Andreas Banaski, alias Kid P., war nie ein Name für die Mitte. Er war der Typ, der die Tür eintrat, während andere noch höflich klopften. In den frühen Achtzigern – zwischen Punk, Pop und Print – schob er sich mit seinen scharfzüngigen Leserbriefen in den Vordergrund der Zeitschrift Sounds und wurde bald selbst Teil ihrer Redaktion. Und was er da tat, hatte es in dieser Form vorher in der deutschen Medienlandschaft schlicht nicht gegeben: Musikjournalismus als Stilmittel, als Attitüde, als Pose und Pose-Zertrümmerung in einem. Nicht bloß Berichterstattung, sondern Haltung auf Anschlag.
Das Buch – herausgegeben von Erika Thomalla, mit einem erhellenden Vorwort von Diedrich Diederichsen – versammelt nun erstmals Banaskis verstreute Texte: Kritiken, Kolumnen, Polemiken, Szeneskizzen, Fanzine-Fetzen. Viele davon sind zum ersten Mal überhaupt zwischen zwei Buchdeckeln zu lesen. Und sie wirken heute nicht wie historische Fundstücke, sondern wie scharfe Klingen, die sich mühelos durch die Nostalgie schneiden. Banaskis Schreiben ist radikal subjektiv, aber nie selbstverliebt. Er ist popkulturell belesen, aber kein Besserwisser. Er ist boulevardesk, aber nicht billig. Er schreibt über Musik, als hinge sein Leben davon ab – und manchmal tut es das vielleicht sogar. Man merkt schnell: Hier schreibt jemand, der in der Sprache lebt wie andere in ihrer Haut. Der Begriff „Pop-Journalismus“ bekommt in diesen Texten endlich wieder Zähne – und Relevanz. Denn was Banaski tat, war mehr als nur Musikkritik. Es war ein performativer Akt. Ein öffentlicher Seelenstrip. Eine Inszenierung, bei der das Ich genauso unter Beobachtung stand wie das Objekt der Kritik. Er mischte Gossip mit Diskurs, klatschte Theorie an Trash, verband das Ernste mit dem Leichten, ohne je die Trennlinie zu respektieren. Und genau darin liegt seine Sprengkraft. Die Auswahl der Texte ist klug kuratiert – von Freunden, Kollegen und Bewunderern wie Dietmar Dath, Moritz von Uslar, Clara Drechsler oder Hans Nieswandt kommentiert, eingebettet, aber nie weichgespült. Die Faksimiles und Abbildungen geben dem Band nicht nur visuelle Authentizität, sondern schlagen die Brücke zu einer Ästhetik des Selbstgemachten, Rohmontierten, Gegen-den-Strich-Gedachten. Und doch funktioniert dieses Buch nicht nur als Rückblick auf eine journalistische Ausnahmeerscheinung. Es ist auch eine Art Manifest gegen das Glattgebügelte, das Abgeklärte, das ironisch Gefasste unserer heutigen Medienzeit. Die Wahrheit über Kid P. ist ein Buch für alle, die sich je gefragt haben, wie man über Pop reden kann, ohne ihm die Luft rauszulassen. Für alle, die Musik nie nur als Klang, sondern als Haltung verstanden haben. Und für alle, die noch wissen, dass das geschriebene Wort knallen darf – und manchmal muss. Kid P. hat nichts erklärt, aber alles spürbar gemacht. Das ist selten. Und es ist – 45 Jahre später – immer noch verdammt aufregend.
UND WAS NUN?