// presswerke vol. (2)63 – „bite me“

mit der neuen Vinyl-LP von Reneé Rapp. // Schon beim Auspacken dieser LP hatte ich das Gefühl, dass „Bite Me“ etwas Besonderes werden würde. Das Gatefold-Cover wirkt hochwertig und sorgfältig gestaltet, nicht wie bloße Verpackung, sondern wie ein fester Bestandteil der Kunst. Genau deswegen liebe ich Vinyl: Es entschleunigt, es fordert Aufmerksamkeit, und es belohnt […]

mit der neuen Vinyl-LP von Reneé Rapp.

// Schon beim Auspacken dieser LP hatte ich das Gefühl, dass „Bite Me“ etwas Besonderes werden würde. Das Gatefold-Cover wirkt hochwertig und sorgfältig gestaltet, nicht wie bloße Verpackung, sondern wie ein fester Bestandteil der Kunst. Genau deswegen liebe ich Vinyl: Es entschleunigt, es fordert Aufmerksamkeit, und es belohnt mit einem Erlebnis, das weit über das reine Hören hinausgeht. Als die ersten Töne erklangen, war ich sofort wieder dort, wo ich Reneé Rapp das erste Mal bewusst erlebt habe. Damals noch in ihrer Rolle in The Sex Lives of College Girls – schon da war da etwas, das schwer in Worte zu fassen ist: diese Ausstrahlung, die Mischung aus Stärke und Verletzlichkeit, die Art, wie sie Räume einnimmt, ohne laut sein zu müssen. Später kam ihr Debütalbum Snow Angel, das mich durch eine Zeit begleitet hat, in der ich selbst viel über mich und meine Unsicherheiten nachgedacht habe. Mit »Bite Me« habe ich nun das Gefühl, dass sie selbst genau diesen Weg noch konsequenter gegangen ist – als hätte sie beschlossen, alle Masken fallen zu lassen.

Musikalisch spannt das Album einen weiten Bogen. Da sind Songs, die fast trotzig wirken, mit Gitarren, die nach vorne preschen, voller Energie und Selbstbewusstsein. Sie klingen wie Hymnen für Momente, in denen man sich gegen alles stemmen will. Und dann gibt es wieder die Balladen, bei denen die Zeit stillzustehen scheint – leise, intim, so nah, dass man fast vergisst, dass da eine Nadel über Vinyl läuft und nicht jemand direkt im Zimmer singt. Diese Extreme machen »Bite Me« so lebendig und vielseitig. Besonders bewegt hat mich, wie ehrlich und ungefiltert sie ihre Themen anspricht. Sie singt von Selbstakzeptanz, von Wut, von Verletzlichkeit, aber auch von der Freude daran, einfach sie selbst zu sein. Man hört, dass sie nicht versucht, Erwartungen zu erfüllen, sondern ihre eigene Geschichte erzählt. Das ist vielleicht der größte Unterschied zu vielen anderen Pop-Alben: Es geht hier nicht um perfekte Fassaden, sondern um echte Emotionen. Was mich beim Hören immer wieder überrascht, ist dieses Gefühl von Nähe. Es gibt Künstlerinnen, die beeindrucken durch Technik, durch große Produktionen oder durch makellosen Pop – und dann gibt es Künstlerinnen wie Reneé, die einen mit ihrer Authentizität umhauen. Genau deshalb funktioniert dieses Album auf Vinyl so gut: Der warme, unmittelbare Klang, das Knistern zwischen den Tracks, all das verstärkt die Intimität und verleiht den Songs eine zusätzliche Tiefe. „Bite Me“ ist für mich kein Album, das man nebenbei hört. Es ist ein Werk, dem man Zeit geben muss – und das einem gleichzeitig viel zurückgibt. Es begleitet durch laute und leise Momente, durch Selbstzweifel und Euphorie, und es zeigt eine Künstlerin, die den Mut hat, sich genauso zu zeigen, wie sie ist. Vielleicht liegt gerade darin die große Stärke dieser Platte: Sie gibt nicht nur Antworten, sie stellt auch Fragen. Und sie lädt dazu ein, sich selbst in diesen Songs wiederzufinden.