mit dem Werk „Donnerfee und Blitzfee“ von Han Kang.

// Han Kang überrascht mit Donnerfee und Blitzfee auf eine ganz neue Weise: Nach ihren vielfach ausgezeichneten und oft tiefgründig-düsteren Romanen legt die südkoreanische Nobelpreisträgerin ein Kinderbuch vor, das zugleich verspielt und poetisch ist. Gemeinsam mit den farbenfrohen, lebendig wirkenden Illustrationen von Jin Tae-Ram entsteht eine Erzählung, die zwar für Kinder gedacht ist, aber wie so oft bei Han Kang auch eine Botschaft für Erwachsene bereithält. Im Zentrum stehen zwei kleine Feen, die eigentlich damit beschäftigt sind, Wolken zu weben – weiße Schäfchenwolken für freundliche Tage und große, dunkle Regenwolken, die schwer am Himmel hängen. Doch wie es oft bei Kindern – und vielleicht auch bei Künstlern – der Fall ist, werden ihnen die immer gleichen Abläufe zu eintönig. Sie wollen mehr, wollen nicht stillsitzen und brav ihre Aufgaben erledigen. Also beschließen sie, auszubrechen: Sie werfen die unbequemen Kleider ab und machen sich auf, die Welt unter den Wolken zu entdecken. In dieser Rebellion steckt bereits die ganze Faszination des Buches – ein zarter Aufruf zur Neugier, zum Mut, zum Loslassen der Routinen, die vielleicht sicher, aber eben auch langweilig sind.
Natürlich bleibt es nicht bei einem harmlosen Ausflug. Die Feen stoßen auf Hindernisse und Herausforderungen, die sie meistern müssen. Der Höhepunkt ihrer Entdeckungsreise ist der Moment, in dem sie herausfinden, wie sie Blitze und Donner entstehen lassen können. Was zunächst bedrohlich wirkt – ein Unwetter, das den Himmel zerreißt – verwandelt sich in etwas Spielerisches, ja geradezu Lustiges. Die Geschichte ermutigt Kinder (und Erwachsene), Angst in Faszination zu verwandeln: Blitz und Donner sind nicht länger Schreckgespenster, sondern Teil eines großen, lebendigen Spiels der Natur. Was mich beim Lesen besonders berührt hat, ist die Leichtigkeit, mit der Han Kang diese Erzählung entwickelt. Wer ihre Romane kennt, weiß, dass sie oft existenziell schwere Themen berührt: Gewalt, Trauma, Verlust. Hier aber begegnet man einer ganz anderen Seite ihrer Stimme – einer Autorin, die Lust am Fantasieren zeigt, die einen fröhlichen, fast schelmischen Ton anschlägt. Und dennoch spürt man darunter ihre poetische Sensibilität. In der scheinbar einfachen Geschichte von zwei Feen, die ausbrechen und Neues wagen, schwingt ein tieferes Nachdenken über Freiheit, Mut und den Umgang mit Furcht mit. Die Illustrationen von Jin Tae-Ram verstärken diesen Eindruck eindrucksvoll: sie sind farbig, lebendig, fast tanzend, und doch mit einer Klarheit gestaltet, die die Magie nicht überlädt, sondern atmen lässt. So entsteht ein Bilderbuch, das beim Umblättern Freude macht und zugleich eine kleine Welt eröffnet, in der Fantasie und Natur in Einklang treten. Donnerfee und Blitzfee ist damit nicht nur ein Kinderbuch, sondern ein Werk, das die ganze Bandbreite von Han Kangs künstlerischem Ausdruck sichtbar macht. Es richtet sich an Kinder, die vielleicht beim nächsten Gewitter weniger Angst haben werden, weil sie sich vorstellen, dass zwei kleine Feen den Himmel zum Knistern bringen. Und es richtet sich an Erwachsene, die zwischen den Zeilen erkennen, dass Neugier, Freiheitsdrang und spielerischer Mut keine Eigenschaften sind, die man im Erwachsenwerden ablegen sollte. Ein Buch, das leicht daherkommt und dabei doch tief berührt. genau darin liegt seine Kraft.
UND WAS NUN?