mit den ersten beiden Bänden der Manga-Reihe „Rainbow“.

// Mit George Abe’s Rainbow erscheint endlich einer der eindrucksvollsten und düstersten Klassiker der japanischen Manga-Geschichte in deutscher Übersetzung – und zwar in einer aufwendig gestalteten Neuausgabe bei Manga Cult. Das Werk, kongenial illustriert von Masasumi Kakizaki, ist ein bedrückendes, aber zutiefst bewegendes Porträt einer Generation, die im Nachkriegselend Japans um Menschlichkeit, Hoffnung und Würde kämpft. Die Geschichte spielt im Jahr 1955 – eine Zeit, in der die Wunden des Zweiten Weltkriegs noch offenliegen. Sechs Jugendliche, verstoßen von einer Gesellschaft, die selbst ums Überleben ringt, werden in eine Jugendstrafanstalt gebracht: Mario, Tadayoshi, Jo, Noboru, Ryuji und Mansaku. Ihre Vergehen – Diebstahl, Betrug, Gewalt – sind Ausdruck einer verzweifelten Zeit, nicht bloß von Bosheit. Hinter den Mauern der Anstalt treffen sie auf Grausamkeit, sadistische Wärter, korrupte Ärzte und eine Atmosphäre, die alles Menschliche ersticken will.
Doch inmitten dieser Hölle begegnen sie Rokurota Sakuragi, einem älteren Häftling und ehemaligen Boxer, der für sie zum Mentor, Beschützer und Symbol des Widerstands wird. Was Rainbow so besonders macht, ist seine schonungslose, fast dokumentarische Erzählweise. George Abe, der selbst Erfahrungen in einer Jugendstrafanstalt machte, schreibt ohne Pathos, aber mit einer eindringlichen Ehrlichkeit. Seine Figuren sind keine Helden im klassischen Sinn, sondern Menschen, die sich gegen Unrecht stemmen, auch wenn sie kaum Chancen haben. Kakizakis Zeichnungen ergänzen diese Härte perfekt: präzise, ausdrucksstark, fast filmisch. Seine Panels sind voll Kontraste – Licht und Schatten, Gewalt und Zärtlichkeit, Hoffnung und Verzweiflung.

Im zweiten Band spitzt sich das Drama zu. Nur einen Monat vor seiner Entlassung wird Sakuragi Opfer eines perfiden Komplotts: Der sadistische Wärter Ishihara und der Arzt Sasaki wollen verhindern, dass ihre eigenen Verbrechen ans Licht kommen – und sind bereit, Sakuragi dafür zu vernichten. Die Jungen aus Trakt 2 schmieden einen gefährlichen Plan, um ihren „Bruder“ zu retten. Diese Episode bringt alles auf den Punkt, was Rainbow ausmacht: Loyalität, Mut und das unerschütterliche Band einer Wahlfamilie inmitten einer Welt, die jede Form von Mitgefühl auslöschen will. Was mich an diesem Werk besonders beeindruckt, ist seine emotionale Wucht. Rainbow ist kein typischer Coming-of-Age-Manga – es ist eine Geschichte über Überleben, Schuld und den unerschütterlichen Glauben an Gerechtigkeit. Abe und Kakizaki schaffen es, aus dem Setting einer Strafanstalt ein Sinnbild für die Gesellschaft zu formen: ein Ort, an dem Macht korrumpiert und Menschlichkeit Widerstand bedeutet. Rainbow ist ein Meisterwerk – hart, tieftraurig, aber auch zutiefst menschlich. Ein Manga, der nicht nur unter die Haut geht, sondern auch lange nachhallt. Wer Serien wie Monster oder Banana Fish schätzt, wird in Rainbow eine ähnlich kompromisslose, aber noch intensivere emotionale Erfahrung finden. Ein Stück Nachkriegsgeschichte in schwarz-weißen Linien – brutal schön, erschütternd ehrlich, und absolut zeitlos,.
UND WAS NUN?